„Man kann nicht nur Noten spielen lernen – man kann auch Menschlichkeit lernen“, sagte der international bekannte Geiger und Orchesterleiter Daniel Hope zu Beginn seiner Oberlinrede in der Oberlinkirche am 9. November 2023. Darin nahm er die geladenen Gäste mit auf eine Reise in seine weit verzweigte Familiengeschichte und vermittelte Botschaften, wie Frieden gelingen kann.
Der 9. November ist ein bedeutsamer Tag in der Geschichte Deutschlands. Vor 85 Jahren brannten die Synagogen und jüdischen Geschäfte in Deutschland. Auf eine gewisse Art und Weise habe dieses Datum auch mit seinem Leben zu tun, obwohl er 35 Jahre nach diesen Ereignissen auf einem ganzen anderen Flecken der Welt geboren wurde, führte Daniel Hope im Verlauf der Oberlinrede aus. Die Frage auf die Antwort nach der Identität falle bei ihm etwas länger aus: „Ich bin südafrikanisch-irisch-deutscher Katholik mit protestantischer Verschmelzung. Allein deswegen wäre ich vor nicht allzu langer Zeit als Ketzer abgestempelt und ausgestoßen worden. Ich habe aber auch starke jüdische Wurzeln.“
Ein Vorfahre in 7. Generation war Michel Hirsch, der erste Rabbiner Potsdams. Sozusagen sein Ur-ur-ur-ur-u-ur-ur-Großvater mütterlicherseits. 1740 kam er als junger Mann aus Polen nach Potsdam. Zusammen mit Dr. Matthias Fichtmüller enthüllte Daniel Hope in der Oberlinkirche einen Kupferstich von Michel Hirsch aus dem Jahre 1762 – eine Leihgabe des Potsdam Museums. „Fast jeder Mensch hat Familie und kommt aus Zusammenhängen, die einen prägen. Wir alle sind Teil einer Geschichte“, sprach Daniel Hope zum Publikum.
Daniel Hope hat irische und deutsche Wurzeln. Seine Großeltern sind jüdischen Ursprungs – die sich bis bis zum ersten Rabbiner Potsdams zurückführen lassen – und lebten in Berlin, von wo sie vor der Verfolgung durch die Nationalsozialisten ins Exil nach Afrika gingen. Andere Verwandte konvertierten zum Christentum. „Die Suche nach Gerechtigkeit bleibt eine dauerhafte menschliche Aufgabe. Ich will versuchen, mich dafür einzusetzen, dass niemand mehr seinen Glauben aufgeben muss, nur weil die Gesellschaft das mehrheitlich fordert“, so seine Botschaft. Nie wieder dürfe brutales Abschlachten von Menschen irgendwo auf der Welt akzeptiert werden. Nicht umsonst habe sich Deutschland aufgrund seiner Geschichte verpflichtet, jüdisches Leben, die Kultur und die Religion zu schützen.
„Aber wie können wir heute überhaupt vom Frieden reden, in einer so zerrissenen und grausamen Welt?“, fragte er weiter. „Lassen Sie uns gemeinsam an den Worten von Nelson Mandela festhalten: Bildung ist die mächtigste Waffe, um die Welt zu verändern. Durch Bildung können wir Vorurteile überwinden und Frieden fördern. Dies also ist unsere Arbeit für den Frieden.“ Auch der große irische Staatsmann Edmund Burk habe einmal gesagt: Die einzige Voraussetzung für den Triumph des Bösen ist, das gute Menschen nichts tun.
Aus der Geschichte seiner eigenen Familie weiß Daniel Hope, was es bedeutet, wenn Humanität missachtet wird und Menschen von Terror oder Gewalt aus ihrer Heimat vertrieben werden. „Wir müssen gerade heute die Erinnerung wachhalten, in welchen Abgrund Unterdrückung und Diskriminierung führen können und gemeinsam versuchen, miteinander nach vorne zu schauen. Jeder kann etwas tun, damit die Welt ein klein wenig besser wird – hören wir nicht auf, damit anzufangen“, mahnte Daniel Hope zum Schluss seiner Oberlinrede.
Hier gibt es einen Mitschitt der Oberlinrede 2023.